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Funktionelle oder entzündliche Magendarmerkrankung?

von: Christoph Fischer

Basisdiagnostik - Abklärung in der AM-Praxis

Häufigkeit: Funktionelle Beschwerden sind sehr häufig, chronisch entzündliche selten, die Unterscheidung ist aufwändig, invasiv und immer mit Unsicherheit behaftet. Zuerst sollte sich der Patient deshalb an Hand dieser Tabelle ein Bild über die Häufigkeit machen:

von 1000 Erwachsenen

  • ist einer an Morbus Crohn (Dünndarmentzündung) erkrankt
  • einer an Colitis ulcerosa (Dickdarmentzündung) 
  • haben zwei Frauen 65+ mikroskopische Kolitis (Durchfälle mit unauffälliger Darmspiegelung aber auffälliger Mikroskopie der Darmwand)
  • haben drei eine Zöliakie (Glutenunverträglichkeit)
  • 100 leiden an Reizdarm (Verstopfung, Durchfälle oder Darmkrämpfe) 
  • und 200 an Gastritis (Funktioneller Dyspepsie)

Informierte Patientenentscheidung

  • Möchte der Patient die Abklärung beim Spezialisten? Wenn ja >> Überweisung zum Internistischen Gastroenterologen
  • Möchte der Patient die Abklärung beim Hausarzt >> nur wenn er sich an diese Vereinbarung hält:

 

  • diagnostischen Stufenplan ggf. mit Therapieversuch ex juvantibus
  • Unterlassung von Mehrfachkonsultationen vereinbaren
  • Vereinbarung in der Kartei dokumentieren!

Alarmsymptome

  • Alter >50-55 und neu aufgetretene Symptome
  • Magendarmerkrankung in der Vorgeschichte
  • Magen/Darm-Karzinom in der FA
  • Teerstühle, kaffesatzartiges Erbrechen
  • Anämie
  • >10% ungewollter Gewichtsverlust
  • Schluckprobleme
  • Persistierendes Erbrechen
  • Lymphknotenvergrößerung
  • Suspekter abdomineller Tastbefund

Anamnese nach Autoimmunerkrankungen mit häufiger Koinzidenz mit CED

  • RA, Bechterew
  • Autoimmunthyreopathie
  • Vitiligo
  • Diabetes Typ 1
  • Trisomie 21
  • Familiäre Zöliakie, mikroskopische Colitis

Labor

  • BB, CRP, BSG, SGPT, GGT, Bili, HS, Kreat, BUN, TSH,
  • bei Gelenksbeschwerden: IgM-Rheumafaktor, ACPA
  • Zöliakie: tTG-IgA-Ak, EmA-IgA-Ak, Gesamt-IgA ,
  • Stuhlkultur,
  • Calprotectin im Stuhl

Calprotectin im Stuhl

  • Der Test sollte bei einer Beschwerdedauer von > 4 Wochen eingesetzt werden,
  • die Probe   sollte nicht länger als 48h bis zur Untersuchung gelagert werden

HintergrundINFO: Stuhl-Calprotectin unterscheidet mit einer Sensitivitat von 93%, und einer Spezifitat von 96% zwischen entzündlichen und funktionellen Magen-Darmerkrankungen. Der Einsatz von Stuhl-Calprotectin als Triage-Instrument führte zu einer Reduktion notwendiger Endoskopien von 67% bei gleichzeitiger Verzögerung der Diagnose einer CED durch falsch negative Testresultate in nur 6%.

Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes, die zu einer Erhöhung des Stuhl-Calprotectins (>50 μg/g)
führen können

  • Erosive Ösophagitis, Erosive Gastritis, Magen-Ulkus, Magenkarzinom
  • Zöliakie
  • Infektiöse Gastroenteritis, Divertikulitis
  • Mikroskopische Colitis: bei rund zwei Drittel aller Patienten mit aktiver mikroskopischer   Kolitis erhöht (Werte bis >1000 μg/g möglich), ein normales Calprotectin schließt eine mikroskopische Colitis nicht aus!
  • Ischämische Kolitis
  • Adenomatöse Polypen, kolorektales Karzinom
  • Morbus Crohn
  • Colitis ulcerosa
  • Zystische Fibrose
  • Bei Kindern zusätzlich: Kuhmilchproteinallergie??? gesunde Kinder <2 Jahre haben Calprotectin-Werte >50 μg/g
  • NSAR: Nach 14tägiger Therapie mit Diclofenac 150mg/d in 75% Stuhl-Calprotectin-Werte >50 μg/g

Morphologische Untersuchungen

  • Abdomensonographie
  • Bei isolierten Magenbeschwerden nur Ösophagogastroduodenoskopie,

 

  • bei Calprotectin >50mg/g Coloskopie:
  • bei isolierten Dickdarmbeschwerden nur Ileo-Coloskopie
  • und bei sich überlappenden Beschwerden beide Untersuchungsverfahren 

HintergrundINFO: Die Arzneimittelkommision der deutschen Ärzteschaft empfiehlt darüber hinaus:„…gegebenenfalls CT-Abdomen mit Kontrastmittel, MRT-Abdomen“ (Anm.: indiziert bei Verdacht auf M.Crohn des oberen GI)

Textbaustein für Coloskopie

Bei makroskopisch unauffälliger Colon-Schleimhaut Stufenbiopsien aus allen Colon-Abschnitten zum Ausschluss einer mikroskopischen Colitis erbeten!

abschließende Befundbesprechung

  • Wenn die Basisabklärung unauffällig bleibt, sollte die Diagnose einer funktionellen Dyspepsie oder eines Reizdarmsyndromes gestellt und dem Patienten/der Patientin positiv vermittelt werden.
  • Für dieses erste Therapiegespräch sollte genügend Zeit zur Verfügung stehen, und es sollte von dem behandelnden Arzt durchgeführt und nicht an einen Psychotherapeuten oder Psychiater weitergegeben werden
  • Ist die Diagnose gestellt, sollten Wiederholungsuntersuchungen vermieden werden. Bei ausdrücklichen Patientenwunsch wäre die Vorstellung beim Gastroenterologen mit allen Befunden für eine 2. Meinung zu erwägen.


Literatur

www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/TE/A-Z/PDF/Reizdarmsyndrom.pdf
Reizdarmsyndrom Irritable bowel syndrome Michael Friedt, Zurich Dieser Artikel ist in der Zeitschrift «Monatsschrift Kinderheilkunde 2008; 156: 275–286)»
erschienen.
http://medicalforum.ch/aktuelle-ausgabe/artikel/neuigkeiten-betreffend-morbus-crohn-und-colitis-ulcerosa.html

Parry SD, Barton JR, Welfare MR (2002) Is lactose intolerance implicated in the development of postinfectious irritable bowel syndrome or functional
diarrhoea in previously asymptomatic people? Eur J Gastroenterol Hepatol 14: 1225–1230.

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erstellt 2018