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Neuroborreliose

von: Christoph Fischer

Garin-Bujadoux-Bannwarth-Syndrom

Häufigkeit: 1 Neuerkrankung unter 33.000 Einwohnern/Jahr, ein Hausarzt sieht so etwas also 2-3x in 35 Berufsjahren!

Symptome der Neuroborreliose

  • Symptome der Radikulitis entwickeln sich im Mittel 4–6 Wochen
  • segmentale Schmerzen
  • Vorwiegend nachts
  • Lokalisation kann wechseln

Symptomatik, die zur Abklärung einer Neuroborreliose führen sollte[1]

Erkrankung Symptome wie oft sieht das der Hausarzt[2]
Radikulitis spinaler Nerven heftige, nächtlich betonte, radikulär bzw. segmental verteilte Schmerzen alle 15 Jahre 1x
Radikulitis der Hirnnerven II–XII Fazialisparese, bei ca. einem Drittel doppelseitig; Augenmuskelparesen alle 20 Jahre
Meningitis Meningismus, Lichtscheu, Übelkeit, Erbrechen

Kinder alle 30 Jahre

Erwachsene "alle 200 Jahre"

Enzephalitis Paresen, Sprachstörungen, Koordinationsstörungen, gelegentlich epileptische Anfälle

 "alle 200 Jahre"

Myelitis querschnittförmige verteilte Sensibilitätsstörungen, zentrale und periphere Paresen, Blasenentleerungsstörungen

 "alle 200 Jahre"

Neuritis peripherer Nerven wahrscheinlich nur im Rahmen der Acrodermatitis chronica atrophicans  mit überwiegend sensiblen Symptomen

 seltener als alle  200 Jahre

HintergrundINFO: Neuroborreliosen sind also selten, aber jeder 5. Gesunde hat Antikörper, deshalb eignen sie sich nicht zur Diagnosestellung!

Cave: Die "häufigste" nicht kutane Borrelienerkrankung

ist die Lyme-Arthritis, einer von 20.000 Einwohner pro Jahr erkrankt daran, das bedeutet etwa jedes verflixte 7. Jahr kommt einer zu Ihnen in die Praxis!

 

Diagnose Neuroborreliose

  • Bei ausreichen begründetem klinischem Verdacht auf  Neuroborreliose soll zeitgleich eine Liquor- und Serumuntersuchung erfolgen (13/13 starker Konses, starke Empfehlung↑↑)
  • der positive Befund borrelienspezifischer IgM- und/oder IgG-Antikörper allein weist keine Erkrankung mit Borrelia burgdorferi nach,weil:
  • Borrelieninfektionen mit asymptomatischer Serokonversion vorkommen
  • und über Jahre anhaltende erhöhte IgG- und IgM-Antikörpertiter im Serum nach ausreichend behandelter Borreliose bei gesunden Personen keine Seltenheit darstellen
  • daher soll der Behandlungserfolg ausschließlich klinisch kontrolliert werden ( keine Titerkontrollen!!!) [1]

wie sicher ist die Diagnose? [3]

Mögliche Neuroborreliose
  • Typisches klinisches Bild mit Meningitis,
  • Meningoradikulitis,
  • Hirnnervenausfällen oder
  • fokalen neurologischen Ausfällen
  • Borrelienspezifische IgG- und/oder IgM-Antikörper im Serum
Wahrscheinliche Neuroborreliose
  • zusätzlich  Nachweis von entzündliches Liquorsyndrom:
  • lymphozytäre Zellzahlerhöhung,
  • erhöhtes Gesamteiweiß,
  • intrathekale Immunglobulinsynthese
  • Ausschluss anderer Ursachen
Gesicherte Neuroborreliose
  • zusätzlich Nachweis von intrathekaler borrelienspezifischer Antikörperproduktion
  • und/oder positive Borrelienkultur
  • bzw. PCR




Post-Lyme-Disease (PLDS)[3]

  • chronischer Beschwerdekomplex trotz antibiotisch behandelter Lyme-Borreliose  
  • Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates,
  • radikulären Schmerzen,
  • Dysästhesien,
  • neurokognitiven Symptomen
  • und chronischer Müdigkeit.
  • Klare Diagnosekriterien fehlen genauso wie der Nachweis, dass eine persistierende Infektion oder ein Autoimmunprozess vorliegt.



Unter Neurologen kursiert das Wortspiel:

„Borrelienneurose, aber keine Neuroborreliose“

  • Daten belegen, dass in einer altersbezogenen Vergleichsgruppe ohne Lyme-Borreliose die genannten unspezifischen Symptome genauso häufig anzutreffen sind, wie bei Patienten mit angeblicher PLDS.
  • In mehreren Studien fand sich kein Vorteil einer Antibiotikatherapie dieser Patienten über ein bis drei Monate.[3]

Mein kritischer Kommentar zur iatrogenen "Post-Lyme-Disease"

  • Besonders in Urlaubszeiten besuchen regelmäßig Patienten unserer Praxis  mit einer angeblichen "Post-Lyme-Diease"
  • Keiner von ihnen erfüllt auch nur die Kriterien für eine "mögliche Neuroborreliose"
  • alle litten zur Zeit der Diagnosestellung ausschließlich an unspezifischen Symptomen,
  • aber ein übereifriger Kollege fand einen Borrelien-Antikörper.
  • Sie nehmen schon wochenlangerfolglos Antibiotika, nicht selten sogar als i.v.Infusion,
  • und sind durch die offensichtlichen Überdiagnosen schwer stigmatisiert.
  • Ärztliche Fortbildung funktioniert - zumindest in diesem Bereich - nicht.
  • Er wäre höchst an der Zeit die Einsendung einer Borrelien-Serologie streng zu regelmentieren.

 

Borrelien-Neurose durch die Borrelien-Serologie

Choosing Wisely

Literatur:     

[1] S3-Leitlinie Neuroborreliose     

[2] wie oft sehe ich das: die Erkrankunghäufigkeit wurden auf Grund der in der S3-LL angegebenen Epidemiologie und der errechneten absoluten Anzahl / Einwohner in Würzburg  (110/100.000) für eine Praxis mit 3.000 Patienten errechnet: Huppertz HI, Böhme M, Standaert SM, Karach H, Plotkin SA: Incidence of Lyme borreliosis in the Würzburg region of Germany. Eur J Clin Micro-biol Infect Dis 1999; 18: 697 – 703

[3] H. Bachler, C.Fischer TGAM-Leitfaden 2016

 

 

erstellt 8-2019