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Durchfall beim Säugling

von: Christoph Fischer

Häufigkeit: Säuglinge und Kleinkinder 1-2x pro Jahr akute infektiöse Gastroenteritis. Häufigkeitsgipfel zwischen 6 und 18 Monaten


Äthiologie: 40% Rotaviren, 30% Noro- oder Adenoviren, 20% Campylobacter jejuni, Yersinien,Salmonellen, Shigellen, pathogene E. coli oder Clostridium difficile, <5% Lamblien, Cryptosporidien, Entamoeba histolytica und andere


Symptome

  • Erbrechen und Fieber können den Durchfällen vorhergehen, folgen oder fehlen.
  • Symptomatik hängt von Ausmaß der Dehydration ab.
  • Das Erbrechen sistiert bei adäquater Rehydrierung meist nach wenigen Stunden, maximal aber 48 Stunden, der Durchfall nach zwei bis sieben Tagen.


Komplikationen

Dehydration, metabolische Azidose, Bewusstseinstrübung, Krämpfe, Kreislaufschock, prärenales Nierenversagen

Anamnese

  • Beginn, Häufigkeit Durchfall Erbrechen,
  • Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme
  • Urinproduktion
    Fieber.
  • Medikamenteneinnahme,
  • bestehende Grundkrankheiten.
  • Bei blutigen Stühlen und Verdacht auf bakterielle Infektionen: Verzehr von Rohmilch, ungegartem Fleisch und Kontakt zu Kühen?

Diagnostik

Klinische Einschätzung des Ausmaßes der Dehydration. (Tabelle s.u. ) Gewicht messen

  keine Exsiccose <3% Gewichtsverlust leichte Axsiccose 3-8% Gewichtsverlust schwere Exsiccose >9% Gewichtsverlust
Bewusstsein wach unruhig oder müde lethragisch oder apathisch
Durst normal durstig kann nicht triknen
Herzfrequenz normal normal - erhöht erhöht
Atmung normal normal - vertieft Azidoseatmung
Augen normal leicht eingesunken tief eingesunken
Tränenflüssigkeit normal vermindert fehlend
Schleimhäute feucht trocken ausgetrocknet
Hautfalten verstreichen sofort < 2Sekunden bleiben >2 Sek stehen
Kapillarfüllung normal verlängert stark verlängert
Exträmitäten warm kalt zyanotisch
Urinproduktion normal vermindert minimal

Herzfrequenz Kinder

Alter Untergrenze Obergrenze
Neugeborene 90 170
1 Jahr 80 160
2 Jahre 80 130
4 Jahre 80 120
6 Jahre 75 115
     

Atemfrequenz(1)

  • beim Neugeborenen etwa 40-45 Atemzüge/min
  • beim Säugling etwa 35-40 Atemzüge/min
  • beim Kleinkind etwa 20-30 Atemzüge/min
  • beim Kind etwa 16-25 Atemzüge/min
  • beim Erwachsenen etwa 12-18 Atemzüge/min

Weiterführende Diagnostik

leichte und mittelschwere Erkrankungen weder Blutbild noch Erregernachweis indiziert

  • Blutuntersuchungen sind bei schwerer Dehydration und/oder bei i.v.-Rehydrierung indiziert. Sie sollten Blutbild, Säurebasenhaushalt, Glucose, Elektrolyte, Kreatinin und Harnstoff beinhalten.

  • Die Urinausscheidung sollte bei schwerer Dehydrierung kontrolliert werden

Hintergrundinfo: Erregernachweis im Allgemeinen nicht empfohlen, in den meisten Fällen ohne Konsequenz.Blutuntersuchung bei leichter bis mittelschwerer Dehydrierung in der Regel nicht notwendig, da die Ergebnisse das therapeutische Vorgehen bezüglich der oralen Rehydrierung und Nahrungsgabe nicht beeinflussen. Unterscheidung virale/bakteriell CRP und BSG nur mäßig geeignet

Erregernachweis indiziert

• Schwere Exsiccose >9%
• blutige Durchfälle
• Auslandsaufenthalt in Risikoländern
• Verdacht auf Clostridium-difficile-Colitis oder hämolytisch urämisches Syndrom
• Säuglinge, die jünger als vier Monate sind, besonders Frühgeborene
• Umgebungserkrankungen mit Verdacht auf Lebensmittelinfektion
• Durchfall länger als 4 Wochen Bakterienkultur 2x, Parasiten 3x einschicken!
• Im Allgemeinen 2-3ml Stuhl im Röhrchen, für Bakteriennachweis in Ausnahmefällen
Rektalabstriche geeignet



 

Therapie

  • aus der Apotheke: Normolyt lösl. Pulver Kind

   zum selbst machen

  • 1 Teelöffel Salz
  • 3 Esslöffel Traubenzucker
  • 1/4 Liter Orangensaft
  • 3/4 Liter Wasser
  • Um Erbrechen zu reduzieren zu Beginn 1 TL pro Minute, wenn toleriert langsam steigern
  • Während der ersten 3 bis 4 Stunden (Rehydrationsphase) erhalten Säuglinge und Kleinkinder portionsweise die Menge des geschätzten Flüssigkeitsverlustes als orale Rehydratationslösung 


HintergrundINFO: Durchfallerkrankung ist in der Regel selbstlimitierend. Ersatz von Flüssigkeit und Elektrolyten und die enterale Zufuhr von Nährstoffen, um eine katabole Stoffwechsellage zu verhindern

Orale Rehydrierung: Natrium wird über den sGLT1-Transporter effektiver aus dem Darmlumen aufgenommen, wenn es mit Glucose oder Galactose angeboten wird. Wasser folgt dem Natriumstrom passiv nach. Das Vorgehen bei leichter bis mäßiger Dehydrierung ist bei oraler Zufuhr unabhängig davon, ob eine iso-, hypo oder hypertone Dehydration vorliegt. Daher hat die Bestimmung von Elektrolyten und des Säurebasenhaushalts keine Konsequenzen und ist nicht notwendig.

 


Oral oder Infusion?

  • orale Rehydrierung Durchfalldauer sechs Stunden kürzer
  • Krankenhausaufenthalt verkürzt sich um 1,2 Tage.
  • Mortalität oral 1/3 in Vergleich zu parenteral
  • Orales Therapieversagen nur bei 1 von 25
  • Entscheidend für den Erfolg ist es, Eltern und Pflegepersonal von der Überlegenheit der oralen Rehydrierung im Vergleich zur Infusion zu überzeugen
  • Um Erbrechen zu reduzieren zu Beginn 1 TL pro Minute
  • Wenn toleriert langsam steigern

 

  • Wird die ORL verweigert oder erbrochen, ist die kontinuierliche Applikation über eine nasogastrale Sonde gegenüber der intravenösen Therapie signifikant bezüglich Durchfalldauer, Dauer des Krankenhausaufenthaltes und Kosten überlegen

 

Wie nimmt mein Kind die Trinklösung am besten an?

Die Trinklösung kann gekühlt oder bei Zimmertemperatur gegeben werden.

Wenn Ihr Kind erbricht, geben Sie zu Beginn alle 2 Minuten kleine Mengen mit einem Teelöffel. Sollte Ihr Kind den Löffel ablehnen, können Sie die Trinklösung auch mit Hilfe einer Spritze in den Mund verabreichen. Erst wenn auf diese Weise 100–200 ml eingenommen wurden, können Sie dem Kind größere Mengen auf einmal aus dem Becher oder der Flasche anbieten (z. B. 30–50 ml alle 15 Minuten).

Wenn Ihr Kind nicht erbricht, können Sie gleich mit den größeren Mengen beginnen.(2)

 

 

Ernährungsempfehlungen bei akuter Durchfallerkrankung

  • Enterozyten beziehen Nährstoffe vorwiegend aus dem Darmlumen Nahrungszufuhr für den Regenerationsprozess wichtig
  • Gestillte Säuglinge können zwischen Gabe der ORL angelegt werden
  • Kein Umstellen gestillter Säuglinge auf Säuglingsnahrung
  • Kein Umstellen von Säuglingsnahrung auf Spezialnahrung
  • Gewohnte Säuglingsmilchnahrung in unverdünnter Form
  • Erhielt der Säugling schon vor der Gastroenteritis Beikost, kann diese wieder verabreicht werden
  • Meiden von Fruktose und Sorbit




Ambulant oder stationär?

Zur Vermeidung von nosokominalen Infektionen sollten Kinder mit Gastroenteritis, wenn es medizinisch vertretbar ist, nicht stationär aufgenommen werden



Medikamentöse Behandlung

Antiemetika: Motilium orale Suspension 1mg/ml Do: Kinder 0,25 mg/kg KG bis 3mal tgl z.B. 10 Kg 3x täglich 2,5 ml LL nennt Vertirosan Supp und Tropfen lt. AC für Kinder ab 4 Jahre Reduktion des Durchfalls, kein Einfluss auf Gewichtszunahme und Durchfalldauer
Probiotika: Studien meist minderer Qualität und zum Teil widersprüchlich.
Antibiotika bei Kindern mit akuter Durchfallerkrankung nicht zu empfehlen.



 

Literatur
https://www.aerzteblatt.de/pdf/106/33/m539.pdf 

(1) http://flexikon.doccheck.com/de/Atemfrequenz 

(2) https://www.dgkj.de/eltern/dgkj-elterninformationen/elterninfo-durchfall

Rezepturen für orale Rehydratationslösung: https://www.apotheker.or.at/Internet/OEAK/NewsPresse_1_0_0a.nsf/webPages/CA7EAAE245D8ED0BC1257065003723F6!OpenDocument