/Internistische Erkrankungen /Funktionelle oder entzündliche Magendarmerkrankung? /Zöliakie

Zöliakie

von: Christoph Fischer

Klassische Zöliakie

Manifestiert sich zwischen 1. Und 3. Lebensjahr mit Malabsorption, Gewichtsverlust, Steatorrhoe und Eiweißmangelödemen, Eisenmangel, Wesensveränderungen, z.B. Weinerlichkeit, oder eine Wachstumsretardierung, erniedrigte Hämoglobin-, Eisen- und Vitamin B12-Werte (1)

Symptomatische Zöliakie

Manifestation häufig erst im Erwachsenenalter. Es finden sich nicht die klassischen Symptome sondern erhöhte Transaminasen und neurologisch-psychiatrische Veränderungen z.B. Migräne, Epilepsie, Depression, Schilddrüsenfunktionsstörung

Subklinische Zöliakie

Zöliakie-spezifische Serologie (AK > 3fach über Normgrenze) und typischen Veränderungen in den Dünndarmbiopsien (mindestens MARSH 2) ohne Symptome

Potentielle Zöliakie

Zöliakie-spezifische Antikörper, Dünndarmmukosa histologisch unauffällig oder MARSH 1 (2)

Ausschluss einer Zöliakie

Es gibt kein klinisches Bild z.b. Obstipation, Adipositas, das eine Zöliakie ausschließt!!!

HintergrundINFO: bei Diagnosestellung bei sind 28% übergewichtig und 11% adipös. In der Durchschnittsbevölkerung ist mit einer Erkrankung auf 300 Personen zu rechnen. Bei bestimmten Erkrankungen findet sich eine deutliche Erhöhung der Prävalenz von Zöliakie.

Personen mit einem erhöhten Risiko für eine Zöliakie soll eine Antikörperbestimmung angeboten werden

Verwandte 1. Grades eines Zöliakiebetroffenen  Risiko 10-15%
Diabetes mellitus Typ 1 Risiko bis 9% (bei Kindern alle 2 Jahre AK-Kontrolle)
Autoimmunthyreoiditis Risiko bis 10%, M. Basedow
Trisomie 21 k.A.

HintergrundINFO: Querschnittstudien zeigen, dass bei den erwachsenen Zöliakie-Patienten ein Drittel von einer weiteren Autoimmunerkrankung betroffen ist. (4)

Labor-Diagnostik

Bei Verdacht auf Zöliakie sind primär serologische Untersuchungen indiziert. Die Diagnostik soll unter einer glutenhaltigen Ernährung erfolgen. Wenn die Person jedoch bereits eine glutenfreie Kost begonnen hat, soll eine Blutuntersuchung erst nach Glutenbelastung erfolgen, weil die gesuchten Antikörper sich unter Diät zurückbilden!

Rheuma-Labor Tel: 0512/504 23321 Testprinzip Sensitivität Spezifität
tTG-IgA-Ak Gewebs-Transglutaminase-IgAAntikörper Elisa 87% 89%
EmA-IgA-Ak Endomysium-IgA-Antikörper
ind. Immunfl. 91,5% 97,5%

HintergrundINFO: Eine Bestimmung des Gesamt-IgA ist zum Ausschluss eines IgA-Mangels notwendig, weil bei Vorliegen eines IgA-Mangels EmA-IgA-Ak und tTG-IgA-Ak nicht nachweisbar sein können, IgA-Mangel in der Gesamtbevölkerung Häufigkeit 0,2%, bei Zöliakie 2-3%!

Wie sicher ist der Test?

Zöliakie AK-Screening

Histologie

Bei positiver Serologie soll eine histologische Bestätigung durch 6 Biopsien aus dem Duodenum und Bulbus Duodeni erfolgen.

Typischer Befund: Zottenatrophie (Marsh III), seltener auch eine isolierte Kryptenhyperplasie (Marsh II)

Diagnosestellung

Die Diagnose Zöliakie kann ausreichend sicher gestellt werden bei:
  • positiver Serologie
  • + positiver Histologie (d.h. Marsh 2 oder Marsh 3) UND
  • + serologischer Besserung unter glutenfreier Diät.

HintergrundINFO: Bei klinischer und serologischer Normalisierung unter glutenfreier Diät ist es nicht erforderlich, die Mukosa-Remission mit einer erneuten Endoskopie zu belegen(3)

Therapie

Strikt glutenfreie Ernährung – Rückgang der Antikörper, unter strikter Diät gehen binnen Tagen bis Wochen die spezifischen Antikörper und die Schleimhautveränderungen zurück, zum einen darf deshalb kein Diätversuch vor Serologie und Endoskopie stattfinden, anderseits kann, strikte Diät vorausgesetzt, damit die Diagnose weiter abgesichert werden.

HintergrundINFO: Momentan gibt es keine Alternative zur Einhaltung einer lebenslangen, strikt glutenfreien Diät, auch geringste Mengen glutenhältiger NM – ein paar Brösel – können die Entzündung aufrecht erhalten

Glutenhaltiges Getreide

Weizen, Dinkel, Grünkern, Roggen, Gerste, Triticale, Khorasan-Weizen (Kamut®), Emmer, Einkorn

Glutenfreies Getreide

Kartoffeln, Reis, Mais, Hirse, Buchweizen, Quinoa, Maniok, Amaranth,

Haferflocken

Haferflocken werden von der überwiegenden Mehrzahl von Zöliakiebetroffenen ohne nachteilige Auswirkungen auf die Dünndarmschleimhaut vertragen. Haferflocken haben ein hohes Risiko während des Herstellungsprozesses mit Gluten kontaminiert zu werden, daher sollten nur als „Glutenfrei“ deklarierte Haferflocken gegessen werden.

Differentialdiagnosen zur Zöliakie

Weizenallergie (IgE-Soforttyp)
Weizen gehört zu den stark allergenen Nahrungsmitteln und löst von allen Getreidesorten am häufigsten eine Allergie aus. Kleinkinder, bei denen eine Weizenallergie diagnostiziert wird, entwickeln häufig im Schulalter eine Toleranz gegenüber Weizen.


Diagnosestellung: Prick-Test, RAST auf spezifisches IgE

Weizensensitivität
Die Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität (im Folgenden kurz Weizensensitivität) ist bislang nur unzureichend definiert und umfasst alle klinischen, oft Zöliakie-ähnlichen Beschwerden, die durch Weizen ausgelöst werden, ohne dass eine Zöliakie oder eine Weizenallergie vorliegen. Es gibt noch keinen diagnostischen Test, der eine Weizensensitivität nachweist, Aufgrund der Klinik können die Zöliakie und die Weizensensitivität nicht unterschieden werden. Weizensensitivität ist daher eine
Ausschlussdiagnose.

Nach Ausschluss von Zöliakie und Weizenallergie erfolgt die Diagnosesicherung durch
Weizen-Elimination und verblindete Provokation, dafür sollten Gebäck oder Brot in einer Diätküche zubereitet werden

 

Beikost spätestens ab 6 Monaten als Zöliakie-Prophylaxe

Stillen bis der Schulbus kommt?

Die WHO empfiehlt Neugeborene mindestens bis zum 6 Monat voll zu stillen, danach soll bis zum Alter von 2 Jahren begleitend gestillt werden. Dies bleibt nicht unwidersprochen (5), im Vergleich zur Beikost ab 4 Monaten haben voll gestillte Kinder:

  • Häufiger Zöliakie
  • Häufiger Eisenmangelanämie
  • Häufiger Nahrungmittelallergien
  • Verpassen eine Phase der Geschmacksentwicklung die für gesunde Ernährung später wichtig ist (5)

Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendheilkunde

  • Beikost nicht vor dem Alter von 17 Wochen
  • nicht später als mit 26 Wochen
  • dabei können zeitgleich auch Produkte mit starker allergener Potenz eingeführt werden.(6)

 

Literatur

(1) tgam_news_februar2017_zoeliakie

(2) histologischen Konstellation mit geringer Spezifität

(3) https://www.aerzteblatt.de/pdf/110/49/m835.pdf 

(4) http://www.unimedizin-mainz.de/fileadmin/kliniken/tim/Dokumente/Allergieportal_Autoimmunerkrankungen_und_Zoeliakie.pdf

(5) Prof. Jael Backe: Schwangerschaft ist keine Krankheit: Welche Ratschläge und Untersuchungen Schwangere wirklich brauchen. https://www.amazon.de/Schwangerschaft-ist-keine-Krankheit-Untersuchungen/dp/3868822690

(6) https://www.dgkj.de/fileadmin/user_upload/Stellungnahmen/1608_UpdateBeikosteinf%C3%83_hrung_DGKJ.pdf