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Säuglingskolik – ist mein Kind ein „Schreikind“?

von: Christoph Fischer


Das übermäßige Schreien wird häufig „Dreimonatskolik“ genannt – ein irreführender Begriff, denn nur selten liegen tatsächlich Verdauungsstörungen vor.

Physiologisches Schreien

  • Zunahme ab 2. Lebenswoche
  • Maximum mit 6-8 Wo 2-3 Stunden / Tag,
  • ab 3. Monat Rückgang


Exzessives Schreien (sog. Wesselkriterien)

> 3 Stunden/Tag
> 3x wöchentlich
> 3 Wochen lang


HintergrundINFO: nahezu aller Kinder zeigen vorübergehend "physiologisches Schreinen", 5-25% der gesunden Säuglinge erfüllen - meist am späteren Nachmittag - die oben genannten Wesselkriterien für "exzessives Schreien" sind dennoch völlig gesund und normal!

die Ursachen sind unbekannt

  • alle Erklärungen  sind nur Hypothesen,
  • keine davon wurde je bewiesen:
  • Laktose > Blähungen,
  • gestörte Interaktion Eltern Kind…?
  • Kein Unterschied Stillen/Flasche, Mädchen/Buben


Untersuchungen

 Anamnese, Status, Fieber, HF, Atemfrequenz, Gewicht

 Red Flags:
• Fieber,
• Tachykardie,
• Zyanose,
• blutiger Stuhl,
• schwallartiges Erbrechen,
• gespannte Fontanelle,
• Zeichen von Kindesmisshandlung


 Wenn keine Warnzeichen vorliegen ist keine weitere Untersuchungen erforderlich.


Differentialdiagnosen

 Meningitis, Otitis media, HWI, Invagination , Leistenhernie, Frakturen

 
Allgemeine Massnahmen

• Aufklärung dass meist bis 4. – 5. Monat selbstlimitierend
• Schlafphasen des Kindes zur Erholung nutzen
• Notfalls „Ablegen“ des Schreikindes
• Regelmäßig strukturieter Tagesablauf
• Bewegung
Hintergrundgeräusche ( mein Enkel Lorenz schläft am liebsten mit diesem Hintergrundgeräusch)



Massnahmen ohne Nutzenbelege

  • Das Herumtragen des Kindes (vermehrter Körperkontakt) außerhalb der Schreiattacken hat keinen Einfluss auf die Dauer und Häufigkeit der Schreiattacken
  • Lefaxin, SAB-Tropfen (Simeticon)
  • Antikolik-Flaschen
  • Partiell hydrolisierte Säuglingsnahrung (Milumil HA, Humana HA)
  • „Pucken“ (eng einwickeln)– Risiko Hüftdysplasie, Risiko dass sich das Kind in Bauchlage dreht
  • Schreiambulanzen Nutzen nicht signifikant
  • Sojamilch >>Allerierisiko, Phytoöstrogen
  • Probiotika
  • Zuckerlösung
  • Fenchel & Kräuter Cochrane findet hohes Bias-Risiko, NW nicht erfasst
  • Chiropraktik & Osteopathie: verblindet kein Effekt, Risiko WS-Manipulation Subarachnoidalblutung, Quadriplegie



Massnahmen mit beschränkter Indikation

  • Kuhmilchallergie ist selten ( ca 1%) Bei begründetem Verdacht 2 wöchiger Versuch mit extensiv hydrolisierter Säuglingsnahrung (APTAMIL Proexpert Pepti) gerechtfertigt
  • Laktase: 4 kleine Studien (max 53 Säuglinge) widersprüchliche Resultate Kanadische Fachgesellschaft für Pädiatrie rät ab, Medikament: Colief Kleinkind Topfen 15ml 17€ in  A und D nicht als Tropfen erhältlich >> Amazon 
  • Hypoallergene Ernährung der stillenden Mutter Ausschluss von : Kuhmilch, Eier, Nüssen, Weizen, Soja, Fisch, Primärer Endpunkt 25% Reduktion der Schreidauer:
    Interventionsgruppe: 35 von 47 Säuglingen (73%)
    Kontrollgruppe: 16 von 43 Säuglingen (37%)
    Allerdings erfüllten in beiden Gruppen nach wie vor gleich viele Kinder die Wesselkriterien
  • Alleiniger Verzicht der Stillenden Mutter auf Kuhmilch blieb ohne Erfolg



 


Literatur

http://www.dgkj.de/fileadmin/_migrated/content_uploads/Ist_mein_Kind_ein_Schreibaby.pdf