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Abschätzung des Suizidrisikos in der AM-Praxis

von: Christoph Fischer

Aus der Nationalen S3-Versorgungsleitlinie „Unipolare Depression“

Das Suizidrisiko ist  bei  depressiv  Erkrankten  etwa  30-mal  höher  als  in  der  Allgemeinbevölkerung, Daher  ist  es  besonders  wichtig,  Patienten  aktiv  und  empathisch  im  Rahmen  der  Erstdiagnostik  zur Suizidalität zu explorieren.

Das Befragen der Patienten  über  ihre  suizidalen  Gedanken,  Impulse  und  Pläne  führt  entgegen  einer  weit  verbreiteten  Fehleinschätzung nicht dazu, dass diese erst dadurch auf die Idee gebracht werden. Die meisten Patienten sind sehr  erleichtert,  wenn  das  Thema  entlastend  angesprochen  wird.[1]

 

Die  Abschätzung  des  Suizidrisikos  sollte durch Erfragen von Risikomerkmalen vorgenommen werden:

  • Haben Sie in letzter Zeit daran denken müssen, nicht mehr leben zu wollen?
  • Häufiger?
  • Haben Sie auch daran denken müssen, ohne es zu wollen? Haben sich Suizidgedanken aufgedrängt?
  • Konnten Sie diese Gedanken beiseiteschieben?
  • Haben Sie konkrete Ideen, wie Sie es tun würden?
  • Haben Sie Vorbereitungen getroffen?
  • Umgekehrt: Gibt es etwas, was Sie davon abhält?
  • Haben Sie schon mit jemandem über Ihre Suizidgedanken gesprochen?
  • Haben Sie jemals einen Suizidversuch unternommen?
  • Hat sich in Ihrer Familie oder Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis schon jemand das Leben genommen?

HintergrundINFO: Diese 10 Fragen lassen sich im klinischen Alltag sicher gut anwenden. Es handelt sich um eine Check-Liste, die sich auch gut als Dokumentation eignet.

Eine Angabe, ab welcher Zahl von Risikosignalen bei absprachefähigen Patienten eine Einweisung notwendig ist kann die LL nicht machen[2]  

Die verfügbaren Risikoscores sind entweder zu unspezifisch oder sie weisen eine zu geringe Sensitivität auf.

Als Ergänzung 3 wichtige Fragen die sich der Arzt stellen sollte:

Aus dem Konsensus-Statement State 2011 der Österreichischne Gesellschaft für Neuropsychopharmakologie und Biologische Psychiatrie[3]

Gibt es Hinweise auf ein eine suizidale Entwicklung?[4]

  • Erwägung
  • Abwägung
  • Entschluss 

 

Gibt es Hinweise auf ein präsuizidales Syndrom?[5]

  • Einengung
  • Aggresionsumkehr
  • Suizidfantasien

 

Ist der Patient absprachefähig?

Wenn sich der Kontakt zum Patienten nicht oder nur schwerherstellen lässt, sich das Gefühl von emotionaler Nichterreichbarkeit einstellt oder der Eindruck entsteht, jemand sei nicht bereit, ehrlich über sich und seine Gefühle zu sprechen, so stellt das immer ein starkes Alarmsignal dar!

 

Tests zur Abschätzung des Suizidrisikos

Literatur:

 

[1] Härter M, Bermejo I, Niebling W. Praxismanual Depression – Diagnostik und Therapie erfolgreich umsetzen. Köln: Deutscher Ärzteverlag; 2007.

[2] https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/nvl-005l_S3_Unipolare_Depression_2017-05.pdf

[3] Suizidalität: Konsensus-Statement State of the art 2011 Österreichische Gesellschaft für Neuropsychopharmakologie und Biologische Psychiatrie, https://oegpb.at/2014/07/15/suizidalitaet/

[4] nach Walter Plödinger

[5] nach Erwin Ringel

 

Erstellt 8-2019