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Statintherapie

von: Christoph Fischer

Suchbegriffe: Statine, Simvastatin, Pravastatin, Atorvastatin, Fluvastatatin, Lovastatin, Pitavastatin, Rosuvastatin, Fibrate, Ezetimib, NNT, NNH, number needed to treat, number needed to harm,

 

Nutzen Statintherapie

  Statintherapie senkt die kardiovaskuläre Ereignisrate um 25-30%

HintergrundIFO: NNT (number needed to treat) - wie viele Menschen eine Statintherapie erhalten müssen, damit bei einem von ihnen ein kardiovaskuläres Ereignis verhindert werden kann, hängt vom kardiovaskulären Ausgangsrisiko ab

 

hohes Ausgangsrisiko

hohes KHK-Risiko (1)

[1]

mittleres Ausgangsrisiko

mittleres KHK Risiko (1)

[2]

geringes Ausgangsrisiko

niederes KHK Risiko (1)

[3]

Empfehlungen der USPSTF

USPSTF Suche Statin (1)

USPSTF Empfehlungen Statin (1)

[4]

Die USPSTF Empfehlungen auf einen Blick

Erwachsene 40 – 75 Jahre 10 Jahresrisiko >10%

Empfehlung Grad „B“

Erwachsene 40 – 75 Jahre 10 Jahresrisiko 7,5 – 10%

Empfehlung Grad „C“

Erwachsene > 75 Jahre ohne kardiovaskuläres Ereignis

Empfehlung Grad „I“

Definition der USPSTF Empfehlungs-Grade 

USPSTF Empfehlungsgrade (1)

[5]

HintergrundINFO: bei sehr niedrigem kardiovaskulären Erkrankungsrisiko werden durch die Statintherapie etwa ebenso viele UAW verursacht,  wie kardiovaskuläre Erkrankungen verhindert.

Kontroverse: Statine für alle über 50?

 

NNH Statin-induzierter Diabetes

keine bekannte KHK

NNH = 204

durchgemachter MCI

NNH = 50

[2] [3]

Faktenbox: Statine - Diabetes - Herzinfarkte

  • als Beispiel ein 67-jähriger Mann mit behandelte Hypertonie, RR 140/85,
  • Nichtraucher,
  • Cholesterin/HDL-Quotient 4,
  • mindestens 5 Stunden/Woche körperlich aktiv,
  • Bauchumfang 108cm,
  • isst prinzipiell kein Körndlfutter, aber mindestens 2 Schnitzel a 100g jeden Tag (siehe nächstes Bild ;-)

 

von 1000 Männern ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung mit diesem Risikoprofil erkranken in 5 Jahren:

ohne Statin

mit Statin

 

75

50

an einem ein kardiovaskuläres Ereignis: Herzinfarkt, Schlaganfall, tödlich oder nicht tödlich

120

125

neu an Diabetes

195

175

„kombinierter Endpunkt“

HintergrundINFO: 

  • Das kardiovaskuläre Risiko und die Risikoreduktion durch ein Statin wurde nach New-Zealand-Risk-Scale berechnet: geringes Risiko 5-10%, durch Statintherapie werden 25 Ereignisse je 1000 Behandelten (NNT=40) verhütet
  • die Zahl der zusätzlichen fünf DM2-Neuerkrankung errechnen sich aus der NNH von 204 [3]
  • das verblüffend hohe Diabetes-Risiko (12%) wurde mittels des GDR-Scores errechnet:

 

Risikorechner Diabetes Typ 2 (GDR-Score)

z.B. so funktioniert der online-Rechner:

mindestens 1 Schnitzel

Das End-Resultat:

Diabetes Risikorechner (1)

[6], [7]

Ist dieser Risikorechner valide?

  • Die Validierung des GDR-Scores wurde an Daten der Heidelberger EPIC-Studie, der Tübinger Familienstudie für Typ-2-Diabetes und der Studie „Metabolisches Syndrom Berlin Potsdam“ durchgeführt[8]
  • Diskriminierungsgüte 0,857 (0,843–0,871)[9]
  • „CONCLUSIONS: The German Diabetes Risk Score (available at www.dife.de) is an accurate tool to identify individuals at high risk for or with undiagnosed type 2 diabetes“[10]
  • Der Test wird von der NVL-DM2 empfohlen (Version 2014 Abschnitt H 3.5.2 Abschätzung des Diabetesrisikos S: 101)

HintergrundINFO: An der NVL 2014 (Stufe S-3) haben nicht nur Diabetesgesellschaften sondern auch AkdÄ und DEGAM mitgewirkt. Die Sensitivität und Spezifität sei vergleichbar mit  dem finnischen Risikorechner "FINDRISK". Auf Seite 101 findet sich kein Hinweis ob es einen Konsensus-Prozess zu dieser Empfehlung gab. Alle gefundenen Aussagen zum GDR stammen im Grunde aus ein und der selben Quelle, dem deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam. Konkrete Angaben zur Sensitivität und Spezifität, positivem und negativem Vorhersagewert finde ich weder auf der GDR-Seite noch in der NVL, zum Begriff „Diskriminierungsgüte“ finde ich keine Erläuterungen, und bin für Hinweise dankbar!)

 

Wer profitiert von einer Statintherapie?

  • Erkrankte mit durchgemachtem kardiovaskulären Ereignis (z.B. Herzinfarkt, Schlaganfall)
  • Erkrankte mit bekannter Gefäßkrankheit (z.B. KHK)
  • Menschen mit familiärer Hypercholesterinämie
  • 40 - 75 Jährigen ohne bekannte Gefäßkrankheit mit kardiovaskulären 10-Jahres-Risiko ≥ 10% sollte eine Statintherapie empfohlen werden
  • bei 40 - 75 Jährigen ohne bekannte Gefäßkrankheit mit kardiovaskulären 10-Jahres-Risiko 7,5 -10% sollte eine Statintherapie erwogen werden[11]
  • Statine im Alter siehe weiter unten

HintergrundINFO: die Berechnung des kardiovaskulären Erkrankungsrisikos kann mit Risikorechnern wie der "New Zealand Risk Scale" erfolgen

 

Welches Statin?

  • Simvastatin, Pravastatin und Atorvastatin scheinen vergleichbar gut zu wirken,
  • die bessere Datenlage und der Preis sprechen für Simvastatin als Mittel der 1. Wahl,
  • bei Unverträglichkeit sollte Pravastatin und dann Atorvastatin versucht werden

 

 

20, 40 oder 80 mg Simvastatin?

  • In der SEARCH-Studie unter 80mg kein signifikanter Unterschied zu 40mg im primären Endpunkt
  • aber deutlich häufiger muskuläre Schädigung
  • Standarddosis ist 40 mg,
  • werden 40 mg nicht toleriert können 20mg versucht werden.
  • Eine Dosisanpassung auf Grund der LDL-Werte unter Behandlung ist nicht indiziert.

HintergrundINFO: LDL-Zielwerte - Rosuvastatin erreicht eine stärkere LDL-Senkung. Der durch Meinungsbildner-Konsensus festgelegte Surrogatparameter LDL < 100mg oder zuzletzt gar < 55mg stützt sich nicht auf Mortalitätsdaten, diese Empfehlung hat den niedrigsten Evidenzgrad "E"

Bis vor kurzen war der Preis für das Markenpräparat  gegenüber Simvastatin 8-fach höher, seit Rosuvastatin als Generikon verfügbar ist, ist der Preis auf das Niveau von Simvastatin Generika gefallen.

LDL-Zielwert oder fixe Dosis?

  • Der Nutzen einer Statintherapie in fixer Standarddosierung - z.B. 40 mg Simvastatin ist gut durch randomisierte Langzeitstudien gesichert.
  • Für die Strategie der Titrierung auf bestimmte LDL-Werte hin, wie sie heute in vielen Leitlinien empfohlen wird, gilt dies nicht - im Gegenteil: Randomisierte kontrollierte Endpunktstudien, die diese Strategie konsequent prüfen, gibt es gar nicht.
  • Um die empfohlenen LDL-Werte zu erreichen, müssen bei einem Großteil der Patienten hohe Statindosierungen von zweifelhaftem Zusatznutzen oder z.B. ein in seinem klinischen Nutzen ungeprüfter Stoff verwendet werden.
  • Statintherapie in fixer Standarddosierung ist daher nach Ansicht des Arzneitelegramms die Strategie der Wahl.[12]

 Statine im Alter

  • kein Rückgang der Effektivität von Statinen im Alter.
  • Das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen nimmt jedoch mit dem Alter zu.
  • Alter allein sollte daher nach Ansicht des a-t 08/2019 kein Grund sein,
  • Statine bei Patienten mit manifesten atherosklerotischen Erkrankungen abzusetzen
  • oder nicht neu zu verordnen.

 

 

Statine am Lebensende absetzen? 

 Studienresultat a-t 08/2019

Absetzen

Beibehalten

Statistik

Sterblichkeit innerhalb von 60 Tagen (primärer Endpunkt)

23,8%

20,3%

Unterschied nicht signifikant 90% CI -3,5% bis + 10,5%

mediane Zeit bis zum Tod

229 Tage

190 Tage

Unterschied nicht signifikant

Kardiovaskuläre Ereignisse

6,9%

5,7%

Unterschied nicht signifikant

Schwäche, Muskelschmerzen

 

 

 Kein Unterschied

Score zur Lebensqualität

Geringfügig besser

 

Unterschied signifikant

 

HintergrundINFO: Von den teilnehmenden 381 Patienten (Durchschnittsalter 74 Jahre) hatten 58% eine kardiovaskuläre Erkrankung in der Vorgeschichte. Alle leiden an einer fortgeschrittenen unheilbaren Krankheit mit einer geschätzte Lebenserwartung von höchstens einem Jahr.

Wichtig: 25% aller Patienten, die für die Studie infrage kamen, haben sich gegen eine Teilnahme entschieden – und damit vermutlich auch gegen das potenzielle Absetzen des Statins. Der Patientenpräferenz kommt somit bei dieser Entscheidung auch angesichts der unklaren Überlegenheit einer Option über die andere eine hohe Bedeutung zu.

 

HerzASS & Co.

Literatur

Übersichtsartikel TGAM-Leitfaden

 

[1] http://www.thennt.com/nnt/statins-for-heart-disease-prevention-with-known-heart-disease/

[2] http://www.thennt.com/nnt/statins-for-heart-disease-prevention-without-prior-heart-disease-2/

[3] http://www.thennt.com/nnt/statins-persons-low-risk-cardiovascular-disease/

[4] https://www.uspreventiveservicestaskforce.org/Page/Document/UpdateSummaryFinal/statin-use-in-adults-preventive-medication1?ds=1&s=statins

[5] https://www.uspreventiveservicestaskforce.org/Page/Name/grade-definitions

[6] http://drs.dife.de/

[7] Mühlenbruch K, Joost H-G, Boeing H,  Schulze  MB  (2014)  Risk  prediction   for   type   2   diabetes   in   the  german  population  with  the  updated  German  Diabetes  Risk  Score      (GDRS).      Ernahrungs Umschau 61(6): 90–93  DOI 10.4455/eu.2014.018

[8] http://www.deutsche-diabetes- gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Leitlinien/Evidenzbasierte_Leitlinien/NVL_Typ-2_Therapie-lang_Apr_2014.pdf

[9]https://www.ernaehrungsumschau.de/fileadmin/ErnaehrungsUmschau/pdfs/pdf_2014/06_14/EU06_2014_90_M306_M309.pdf

[10] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17327313

[11] https://www.uspreventiveservicestaskforce.org/Page/Document/UpdateSummaryFinal/statin-use-in-adults-preventive-medication1?ds=1&s=Statins

[12] Arzneitelegramm LDL-Zielwert oder fixe Dosis?

erstellt 10-2019