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Migräne

von: David Schuchter

Definition


  • Zwischen 4 h - 72 h [i]dauernde Attacken heftiger, häufig einseitiger pulsierend-pochender Kopfschmerzen, die bei körperlicher Betätigung an Intensität zunehmen. 
  • Häufige Begleitsymptome: Appetitlosigkeit (fast immer), Übelkeit (80 %), Erbrechen (40–50 %), Lichtscheu  (60 %), Lärmempfindlichkeit (50 %).

  • Die Kopfschmerzen können die Seite und Intensität wechseln.

  • Kinder: Oft nur Übelkeit, Erbrechen und Schwindel, häufiger nur holokranielle Kopfschmerzen mit kürzerer Dauer.

  • Die Migräne ist eine der häufigsten Kopfschmerzformen. Höchste Prävalenz zwischen dem 20. und dem 50. Lebensjahr. In dieser Lebensphase sind Frauen 3x häufiger betroffen als Männer.

 

Diagnose

  • Typische Anamnese + unauffälliger neurologischer Status.

  • Bildgebung indiziert: Bei Kopfschmerzen mit ungewöhnlicher Klinik und persistierenden neurologischen oder psychopathologischen Auffälligkeiten

 

Therapie

Medikamentöse Therapie im Überblick

  • Acetylsalicylsäure(ASS) und nicht steroidale Antirheumatika(NSAR) sind bei der Behandlung der Migräne wirksam. Leichtere und mittelstarke Migräneattacken sollten zunächst mit diesen Substanzen behandelt werden. Sie wirken auch bei einem Teil der Patienten mit schweren Migräneattacken [ii].
  • Triptane: Die 5-HT18/10 Agonisten Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan sind die Substanzen mit der besten Wirksamkeit bei akuten Migräneattacken und sollten bei starken Kopfschmerzen und bei Migräneattacken, die nicht auf Analgetika oder NSAR ansprechen, eingesetzt werden.

  • Sumatriptan s.c. ist die wirksamste Therapie akuter Migräneattacken.

  • Eletriptan und Rizatriptan sind nach den Ergebnissen von Meta-Analysen die wirksamsten oralen Triptane.

  • Die Kombination von Triptanen mit Naproxen ist wirksamer als die Monotherapie.

  • Mutterkornalakaloide(Ergotamine): sind zur Attackentherapie der Migräne wirksam. Allerdings ist die Wirksamkeit schlecht belegt, und die Nebenwirkungen im Vergleich zu Triptanen und den anderen Akuttherapeutika erhöht. Sie sollten daher nicht mehr als Therapie der 1. Wahl eingesetzt werden.

  • Triptane sind Mutterkornalkaloiden bezüglich der Wirksamkeit überlegen.

  • Die Wirksamkeit der Medikamente zur Therapie akuter Migräneattacken ist höher, wenn diese früh in der Attacke eingenommen werden.

  • Die Schwelle für die Entstehung von Medikamentenübergebrauch-Kopfschmerz nach ICHD-3 liegt für Triptane bei ≥ 10 Einnahmetagen/Monat über mindestens 3 Monate.

  • CAVE: Triptane sollten bei Patienten mit schwerwiegenden kardiovaskulären Krankheiten (KHK, z.n. MCI, pAVK, TIA, Apoplex) nicht eingesetzt werden. 
  • Antiemetikasind wirksam zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen in der Migräne-attacke.

  • Die Wirksamkeit nicht medikamentöser Verfahrenwurde in der Therapie von akuten Migräneattacken nicht ausreichend untersucht.

  • Opioide und Tranquilizer sollten nicht zur Behandlung der Migräneattacke eingesetzt werden[iii].

Prophylaxe der Migräne

Prophylaxe der Migräne im Überblick

Medikamente zur Prophylaxe von Migräneattacken im Detail

  • Bei häufigen Migräneattacken (>3 pro Monat) / ausgeprägten Beschwerden oder anhaltender Aura sollte neben der Vorbeugung durch Information und Verhaltensmodifikation eine medikamentöse Migräneprophylaxe angeboten werden.

  • Die Auswahl eines Migräneprophylaktikums richtet sich nach Attackenhäufigkeit (episodisch versus chronisch), Begleiterkrankungen und individuellen Bedürfnissen des Patienten.

  • Ziel der Prophylaxe ist eine Reduktion der Kopfschmerzen um 50 %.

  • Die Wirkung der BetablockerMetoprolol und Propranolol, des Kalziumantagonisten Flunarizin und der Antikonvulsiva Topiramat und Valproinsäure und von Amitriptylin sind in der Migräneprophylaxe am besten durch randomisierte Studien belegt.

  • Valproinsäure sollte nicht bei Frauen im gebärfähigen Alter ohne sichere Verhütungs- methode eingesetzt werden.

  • Ebenfalls wirksam, aber weniger gut untersucht sind der Betablocker Bisoprolol, ACE- Hemmer und Sartane.

  • Bei chronischer Migräne mit oder ohne Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln sind Topiramat und Onabotulinumtoxin A (Indikation durch erfahrenen Neurologen) wirksam.

  • Die medikamentöse Therapie soll durch nicht medikamentöse Verfahren der Verhal- tenstherapie (z.B. Entspannungsverfahren) ergänzt werden.

  • Regelmäßiger aerober Ausdauersport, sowie Monitoring mittels Kopfschmerztagebuch werden empfohlen.

  • Bei Patienten mit einer Migräne und Einschränkung der Lebensqualität sollten Verfah-ren der psychologischen Schmerztherapie (Schmerzbewältigung, Stressmanagement, Entspannungsverfahren, Biofeedback) eingesetzt werden.

  • Auf Nebenwirkungen und Kontraindikationen der einzelnen Substanzen achten.

  • Bei der Auswahl Komorbiditäten miteinbeziehen:
    • Migräne und Depression/Angsterkrankung: Amitriptylin (75–150 mg) oder Venlafaxin (150–225 mg)
    • Migräne und Epilepsie: Topiramat und Valproinsäure

Migräneattacken bei Kindern

  • Migräneattacken bei Kindern werden mit Ibuprofen 10 mg/kg KG, Acetylsalicylsäure (500 mg, erst ab dem 12.Lj) oder Paracetamol 15 mg/kg KG (2. Wahl) behandelt. Bei Paracetamol kumulative Dosierungen beachten.

  • Ab dem 12. Lj zugelassen: Sumatriptan 10 mg und Zolmitriptan 5 mg als Nasenspray, Domperidon bei Übelkeit.

Therapie in der Schwangerschaft

  • 1. und 2. Trimenon: ASS oder Ibuprofen.

  • Paracetamol, wenn Kontraindikation für ASS oder Ibuprofen.

  • Triptane nicht zugelassen, für Sumatriptan sind im 1. Trimenon aber bislang keine erhöhe Komplikationsraten berichtet[iv].
  • Ergotamine sind kontraindiziert.

Literatur:

[i] https://www.ichd-3.org

[ii] https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-057l_S1_Migraene-Therapie_2020-12.pdf

[iii] Totzeck A, Gaul C. [The role of opioids in the treatment of primary headache disor- ders]. Schmerz. 2014;28(2):135-40.

[iv] https://www.embryotox.de/arzneimittel/details/sumatriptan/

 

Erstellt 2021 David Schuchter