/psychiatrisch - neurologische Erkrankungen /Cluster-Kopfschmerz Therapie

Cluster-Kopfschmerz Therapie

von: Christoph Fischer

Häufigkeit Cluster-Kopfschmerz

  • Eine zuverlässige Einschätzung der Cluster-Kopfschmerz-Prävalenz ist anhand der präsentierten Daten kaum möglich.
  • Die meisten Quellen geben 1 von 1000 an.
  • Die Prävalenzspanne liegt unter Einbeziehung aller zugänglichen Daten zwischen 1 von 262 bis 1 von 1.780.
  • Das Verhältnis Männer zu Frauen wird mit 1 : 1,3 bis 1 :7,6 berichtet.
  • Aus meiner Praxis sind mir nur 2 junge Männer bekannt, dem entspräche eher die Häufigkeit die in einer sehr aufwändigen Studie in San Marino gefunden wurde.
  • Mehr dazu finden sie unter https://ck-wissen.de/ckwiki/index.php/Cluster-Kopfschmerz_Epidemiologie

 

Behandlung einer akuten Kopfschmerzattacke

        Mittel 1. Wahl

  • Inhalation von Sauerstoff über eine Gesichtsmaske,
  • Sumatriptan 6mg s.c.
  • Zolmitriptan-Nasenspray 5-10 mg

        Mittel 2. Wahl bei länger anhaltenden Attacken

  • Lidocain 4% nasal
  • Sumatriptan 20 mg nasal
  • Zolmitriptan 5 mg oral [1]

HintergrundINFO Ansprechrate:

Sauerstoff über Gesichtsmaske (7–15 l/min über 15–20 min) ist bei 60–70 % der Clusterpatienten wirksam.

Lidocain hilft nur einem Teil der Patienten und auch nicht immer. Trotzdem sollte jeder Patient mit Clusterkopfschmerzen einmal im Leben diese Therapien ausprobiert haben, da bei Wirksamkeit insbesondere bei hoher Zahl der täglichen Attacken systemische Nebenwirkungen vermieden werden könnten[2]

Sumatriptan (6 mg s. c. oder nadelfrei) und Zolmitriptan (5–10 mg nasal) sind die Substanzen mit der besten Wirksamkeit in der akuten Clusterkopfschmerzattacke.

orale Triptane sind nur bei langen Attacken sinnvoll. [3]

 

Prophylaxe

        Mittel 1. Wahl

  • Verapamil beginnen mit 3 x 80 mg, steigern bis 960mg (EKG-Kontrolle!)
  • Prednisolon mind. 1 mg/kg KG initial für 2–5 Tage, dann individuell abdosieren

        Mittel 2. Wahl

  • Lithium 600–1500 mg/d (Serumspiegel 0,6–0,8 mmol/l)
  • Topiramat (100–200 mg/d), in Einzelfällen sind höhere Dosierungen nötig
  • Bei chronischem Clusterkopfschmerz ev. Kombination Lithium + Topiramat (Spezialambulanz)

HintergrundINFO:

Verapamil: Bei etwa zwei Dritteln der Patienten wird eine Verbesserung des Clusterkopfschmerz um 75% beobachtet. Es kann vorkommen, dass Verapamil in einer aktiven Clusterepisode nicht wirksam ist, obwohl es in der vorangegangenen Episode noch wirksam war. Dennoch ist es möglich, dass Verapamil nach einer gewissen Pause wiederum Wirksamkeit zeigt.[4]

Prednisolon wird als überbrückende Therapie bei langsamem Wirkungseintritt von Verapamil eingesetzt, bei Bedarf können auch höhere Dosen versucht werden.

Lithium kann bei episodischem Clusterkopfschmerz eingesetzt werden, wirkt sich insbesondere bei chronischen Clusterkopfschmerz-Patienten positiv aus.

  • Da die Gefahr der Intoxikation besteht, muss der Blutserumspiegel regelmäßig überwacht werden, wobei der Serumspiegel 1,2 mmol/l nicht übersteigen soll, in der Regel soll ein Serumspiegel von 0,7 - 1,0 mmol/l eingehalten werden.
  • Nebenwirkungen wie feinschlägiger Tremor, Übelkeit, Völlegefühl, Muskelschwäche, Durstgefühl, Polyurie und Müdigkeit treten bei zu hoher Konzentration auf.
  • Bei Langzeitbehandlungen kann eine Vergrößerung der Schildrüse vorkommen.
  • Kochsalzarme Ernährung, oder gar Diäten sind zu vermeiden, da dies den Lithiumspiegel im Blut erhöht.
  • Ebenfalls sind unter der Lithiumtherapie nichtsteroidale Entzündungshemmer vom Diclofenac-Typ zu vermeiden, da diese den Lithiumspiegel erhöhen.
  • Warnsymptome einer Lithiumvergiftung sind verstärkter Tremor, Koordinationsstörungen, undeutliche Sprache, Übelkeit, Oligourie und Diarrhö. Möglicherweise ist Lithium teratogen.“ [5]

Topamirat hat eine schwache Evidenz, es gibt es nur einzelne Fallberichte und offene Studien [3] S:9

Lithium und Topamirat: insbesondere die Therapie des chronischen Clusterkopfschmerzes ist schwierig und benötigt häufig auch Kombinationen von beiden[6]. In diesem Fall ist meist eine Überweisung zueiner spezialisierten Kopfschmerzambulanz nötig.

Galcanezumab bei episodischem Clusterkopfschmerz?

Faktenbox

Anzahl Cluster-Kopfschmerzen / Woche

Placebo (n=57)

Galcanezumab (n=49)

Vor der ersten Anwendung

17

18

3 Wochen nach der 1. Anwendung

12

  9

Nebenwirkungen

 

 

Reaktionen an der Injektionsstelle

keine

4 von 49

Nasopharyngitis

1 von 57

3 von 49

Lumbalgie

3 von 57

keine [7]

HintergrundINFO: Die FDA hat Anfang Juni 2019 die Indikation des ursprünglich zur Migräneprophylaxe entwickelten CGRP-Antikörpers erweitert. Die Zulassung erfolgte auf Grund einer Phase-3 Studie über 2 Monate mit 49 Patienten in der Verum-Gruppe. Nebenwirkungen wurden noch 4 Monate nach der Exposition in Galcanezumab- und Placebogruppe nacherfasst. Die Dosierung ist mit 300 mg deutlich höher als in der Migräneprophylaxe. Das Arzneimittel muss aufgrund der langen Halbwertszeit nur einmal pro Monat subkutan gespritzt werden. Es kann von den Patienten nach einer Instruktion durch das Fachpersonal selbst verabreicht werden. Der Hersteller rechnet mit der Zulassung für Europa Anfang 2020.

Erfahrungen aus der Anwendung als Migränemittel

  • Für Migräne ist das Mittel auch erst seit April 2019 durch die EMA zugelassen.
  • In dieser Indikation gibt es schon etwas mehr Daten
  • zwei sechsmonatige doppelblinde Studien zur episodischen und eine dreimonatige Studie zur chronischen Migräne mit insgesamt 2.886 Teilnehmern
  • die Teilnehmer sind zu 84 – 88% weiblich, im Durchschnitt 41 Jahre alt,
  • ausgeschlossen waren Patienten 65+ mit schweren kardiovaskuläre Vorerkrankungen
  • Sicherheitsstudien untersuchen die Anwendung maximal für 15 Monate

Wirksamkeit:

  • direkte Vergleiche mit etablierten Migräneprophylaktika fehlen,
  • im indirekten Vergleich sind die Antikörper nicht besser als herkömmliche Prophylaktika wie Propranolol oder Topiramat

Nebenwirkungen:

  • Lokalreaktionen an der Injektionsstelle (4,5 – 5,6%),
  • Obstipation (1,3 – 3,2%),
  • Muskelspasmen (0,7 – 2,0%),
  • Juckreiz (1,0 – 1,8%)[8]

HintergrundINFO Kardiovaskuläre Risiken: Die Hemmung der vasodilatatorischen Effekte von CGRP könnte theoretisch bei Patienten mit bekannten oder latenten kardiovaskulären Erkrankungen die Rate ischämischer Ereignisse erhöhen oder eine Gewebeschädigung nach einem Gefäßverschluss verstärken. Aufgrund der Ausschlusskriterien haben nur 13 Patienten mit vorbestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen an klinischen Studien teilgenommen, von denen lediglich 5 Patienten 70 mg oder 140 mg Erenumab erhalten haben.2 Zwei Patienten sterben in der offenen Verlängerungsphase der Studien, beide werden von der FDA als kardiovaskulär-bedingte plötzliche Todesfälle eingeordnet und betreffen eher jüngere Männer (54 und 43 Jahre). Es liegen allerdings jeweils auch andere plausible Todesursachen vor. Insgesamt soll die Rate vaskulärer Ereignisse in den Studien die für Migränepatienten zu erwartende Häufigkeit nicht übersteigen.[9]

Fazit

  • Die S-1Leitlinie Clusterkopfschmerz ist 2015 erschienen und erwähnt Galcanezumab daher noch nicht.   
  • Auf Grund der (noch) beschränkten Daten und Erfahrung, kommt Galcanezumab wohl nur bei Versagen aller bisherigen Optionen in Frage.
  • Ob der Antikörper eine Nutzen als Zusatztherapie zu etablierten Prophylaktika bringt, lässt sich aus der Zulassungsstudie nicht ableiten

HintergrundINFO:

  • Es gibt keinen direkten Vergleich zu den etablierten Prophylaktika,
  • im indirekten Vergleich lässt die Halbierung der Anfälle kein eindeutige Überlegenheit erkennen.
  • Die Teilnehmerzahl von 49 ist sehr gering.
  • Wirksamkeitsstudien mit lediglich zweimonatiger Behandlungsdauer sind für die Daueranwendung unzureichend.
  • In der Studie zeigten sich großen Placeboeffekte.
  • Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf therapierefraktäre Patienten, für die keine anderen Prophylaktika mehr infrage kommen, ist unklar.[10]
  • Auch für Migräne empfiehlt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) CGRP-Antikörper ausschließlich als Reserve, wenn keine andere empfohlene medikamentöse Prophylaxe mehr infrage kommt.[11]

Literatur:

[1] http://www.cluster-kopfschmerz.com/

[2] May A. Cluster headache: pathogenesis, diagnosis, and management. Lancet 2005; 366: 843–855

[3] https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-036l_S1_Clusterkopfschmerz_trigeminoautonome_Kopfschmerzen_2015-06.pdf

[4] https://www.clusterkopf.de/content/clusterkopfschmerzen/therapiemoeglichkeiten/

[5] ebenda

[6] May A, Leone M, Afra J et al. EFNS guidelines on the treatment of cluster headache and other trigeminalautonomic cephalalgias. Eur J Neurol 2006; 13: 1066–1077

[7] https://clinicaltrials.gov/ct2/show/results/NCT02397473?term=Galcanezumab&draw=2&view=results

[8] Wir finden nur zu Erenumab Angaben: https://www.arznei-telegramm.de/html/2018_11/1811091_03.html

[9] FDA: Summary Review Erenumab, Mai 2018; http://www.a-turl.de/?k=allu

[10] Auch in den Migräne-Studien mit Galcanezumab war nicht sichergestellt, dass tatsächlich keine anderen Therapieoptionen mehr bestanden a-t 06/2019

[11] G-BA: Tragende Gründe, 2. Mai 2019; http://www.a-turl.de/?k=ilsl

 

erstellt 12-2019