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Depression Überblick

von: Christoph Fischer

Häufigkeit Depressionen

  • Jährlich erkranken 1 – 2 / 100 Personen neu
  • Lebenszeitrisiko an Depression (alle Formen) zu erkranken 16-20%[1]
  • Entgegen einer häufigen Annahme hat diese Zahl in den letzten Jahren nicht zugenommen[2]

Ätiologie

  • „Wir wissen es nicht genau, einem Forscher, der eine überzeugende Antwort auf diese Frage findet, winkt der Nobelpreis“ (27)
  • Die Forschung hat keine klare Erklärung für Depressionen,
  • Depressionen werden jedenfalls nicht durch Serotoninmangel, Mangel an anderen Botenstoffen, Hormonen oder Vitaminen verursacht! (30)

Die Ätiologie ist fultifaktoriell, aber noch nicht restlos verstanden:

  • familiäre Häufung (erblicher Anteil, aber keine zwingende Vererbung)
  • äußere Belastungen
  • frühkindliche Verluste
  • vulnerable Persönlichkeit
  • es gibt aber häufig auch Depressionen, die scheinbar ohne einen plausiblen Auslöser beginnen (31)

HintergrundINFO Das bio-psycho-soziale Modell:[3]

Verlauf

  • Die Erkrankung kann sich unterschiedlich entwickeln.
  • Die Häufigste Form ist die depressive Einzelepisode
  • Die meisten depressiven Episoden klingen nach Wochen bis Monaten von selbst ab
  • Bei 50% tritt eine rezidivierende unipolare Depression auf
  • Die gesunde Zeit zwischen 2 Episoden kann wenige Monate bis Jahrzehnte betragen (32)
  • 1,7% der Frauen und 1,3% der Männer erkranken im Laufe des Lebens an einer bipolaren Störung (NVL 17)

Chronische Depression

  • Von einer chronischen Depression spricht man ab einer Dauer von > 2 Jahren
  • Dies betrifft etwa 15% der Erkrankungen

therapieresistente Depression

  • unscharfer Begriff

  • meist mehrere gescheiterte Behandlungsversuche

  • Diagnose sollte nicht gestellt werden wenn aneinanderreihen mehrerer Antidepressiva nicht wirksam war

  • das Aneinanderreihen mehrerer Antidepressiva ist generell nicht empfehlenswert (32)

Erst ab einer Dauer von 2 Wochen kann die Diagnose depressive Episode gestellt werden.

3 Hauptsymptome

  • Depressive Verstimmung
  • Verlust von Interesse und Freude
  • Antriebsmangel

HintergundINFO: die WHO-ICD-Klassifikation ist nach Ansicht von Prof. Bschor seltsam, sie richtet sich nicht nach der Ausprägung sondern nach Anzahl der Symptome, Je mehr verschiedene Symptome, desto schwerer ist die Depression.(35) 

Zusatzsymptome

  • verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
  • vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
  • Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit
  • negative und pessimistische Zukunftsperspektiven
  • Suizidgedanken, erfolgte Selbstverletzung oder Suizidhandlungen
  • Schlafstörungen
  • verminderter Appetit.

HintergrundINFO Haupt- und Zusatzsymptome

Diagnose

Depression Diagnose

[1]

  • Liegen mindestens 2 Haupt- und 2 Nebensymptome vor sollte geklärt werden
  • ob diese eher einer depressiven Symptomatik oder einer anderen psychischen Störung zuzuordnen sind (Differenzialdiagnostik).

Depression ist eine Ausschlussdiagnose

   Ausschluss:

  • organische Ursache  (z.B. chronische Schmerzen, Schilddrüsenunterfunktion..)
  • hirnorganische Ursache
  • Gebrauch oder Missbrauch psychotroper Substanzen (C2, Drogen)

Sind diese Ursachen ausgeschlossen, kann die Diagnose einer depressiven Episode gestellt werden (NVL 44)

Ambulant oder stationär?

   Notfalleinweisung wenn (NVL 33):

Feststellung des Schweregrades

  • Vor Behandlungsbeginn und für die Verlaufsmessung
  • bietet sich für die AM-Praxis das „Beck-Depressions-Inventar“ als Selbstbeurteilungsskala an.
  • Der Patient kann den Test in 5 – 10 Minuten mit Bleistift und Fragebogen
  • oder direkt online ausfüllen.  
  • Solche Skalen sind nicht zur Diagnosestellung einer depressiven Episode geeignet,
  • aber damit kann der Schweregrad und das Ansprechen auf Behandlung valide gemessen werden (74)

HintergundINFO: 25 Bögen des Beck-Depressionsinventars werden von einem Verlag um 77€ angeboten[4] Im Buch finden sie die deutsche Version des BDI-2 auf Seite 72-73

Der Test steht auch online zu Verfügung,

ein Ausschnitt:[5]

Becks

  • Das Resultat kann sofort online errechnet werden,
  • und unterscheidet zwischen kognitiv-affektiven
  • und somatischen depressiven Symptomen:

 

Becks2

Grenzwerte für das BDI

  • 0–8: Keine Depression
  • 9–13: Minimale Depression
  • 14–19: Leichte Depression
  • 20–28: Mittelschwere Depression
  • 29–63: Schwere Depression [6]

Behandlung

Depression erfordert komplexe Behandlungskonzepte

  • Komplexe Behandlungskonzepte basieren auf einer grundsätzlichen Gleichberechtigung,
  • aller an der Behandlung depressiver Patienten beteiligten Akteure.
  • Der Fokus liegt auf der verbesserten Vernetzung (integrierte Versorgung) zwischen den Beteiligten
  • z. B. Hausarzt, Psychiater, Psychotherapeut, Sozialarbeiter, Hauskrankenpflege…

Integrierte Versorgung

  • Optimierung des Krankheits- und Behandlungsverlaufs,
  • Verringerung von Fehl-, Unter- oder Überversorgung
  • sowie von Chronifizierung
  • leitlinienorientierte Diagnose- und Behandlungsprozesse
  • modellhaft in Primärversorgungsnetzwerken angedacht

Stepped Care

  • gestufte Behandlung beginnt die Behandlung mit der Interventionsform,
  • die leitliniengemäß adäquat ist
  • und gleichzeitig die geringste Behandlungsintensität aufweist.
  • Durch regelmäßiges Monitoring des Therapieverlaufs ("BDI")
  • Kann die Behandlung bei Nichtansprechen
  • auf der nächst höheren Intensitätsstufe fortgesetzt werden.

Aufklärung

  • Depressive Patienten sollen über Symptomatik, Verlauf und Behandlung der Depression aufgeklärt werden.
  • Dabei können zur Unterstützung evidenzbasierte Patienteninformationen oder Entscheidungshilfen eingesetzt werden.
  • Wenn es angebracht ist und die Patienten einverstanden sind, gilt dies auch für deren Angehörige

Partizipative Entscheidung

  • Bei der Partizipativen Entscheidungsfindung wird ein gleichberechtigtes Zusammenarbeiten von Arzt bzw. Psychotherapeut und Patient angestrebt,
  • Eine gemeinsame Entscheidungsfindung trägt zu höherem Wissen
  • realistischeren Erwartungen über den Erkrankungsverlauf
  • höherer Patientenzufriedenheit bei.
  • Vor- und die Nachteile der möglichen Entscheidungsoptionen werden erläutert
  • und vor dem Hintergrund der Lebenssituation des Patienten gegeneinander abgewogen
  • der Plan zur Umsetzung der gewählten Behandlung partizipativ beschlossen (NVL 52)

Psychotherapie, Pharmakotherapie oder beides?

Depression psychotherapie oder Pharma

(NVL 61)

Uns stehen nichtmedikamentöse und medikamentöse Optionen offen

Nichtmedikamentöse Behandlung

Medikamentöse Behandlung

  • Nichtmedikamentöse Behandlungen können bei leichten und mittelschweren Depressionen  alternativ statt Antidepressiva
  • oder zusätzlich zu Antidepressiva eingesetzt werden,
  • bei schweren Depressionen sollen unbedingt beide Behandlungsmethoden kombiniert werden!

Literatur:

[1] S3-Leitlinie/Nationale Versorgungs-Leitlinie Unipolare Depression Langfassung 2. Auflage, 2015 S: 17 alle weiteren Zitate aus dieser LL werden in runder Klammer so angegeben: (NVL 17)

[2] Im weiteren Text wird die zitierte Stelle in diesem Buch in runder Klammer angegeben: Antidepressiva. Wie man die Medikamente bei der Behandlung von Depressionen richtig anwendet und wer sie nicht nehmen sollte: Vom Mitautor der Behandlungsleitlinie für Depressionen von Prof. Dr. med. Tom Bschor | 12. November 2018

[3] H. Bachler, C. Fischer, ALLGEMEINMEDIZIN Leitfaden für Famulatur, AM-Seminar, KPJ und Turnus Herausgegeben von der Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin 2012

[4] https://www.testzentrale.de/shop/beck-depressions-inventar-fs.html

[5] http://deprese.euzona.cz/de-index.php

[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Beck-Depressions-Inventar

erstellt 2-2020